In Istanbul werden der Messerwerfer John und die Tänzerin Song zur Varieté-Attraktion. Als Johns ehemalige Geliebte Gloria auftaucht, erblindet er. Song kümmert sich aufopferungsvoll um ihn, bis das Schicksal erneut zuschlägt … SONG war der erste von drei Filmen, die die chinesisch-amerikanische Schauspielerin Anna May Wong mit Richard Eichberg in Europa realisierte. Auch wenn diese nicht frei von Klischees sind, verlieh ihnen Anna May Wongs nuancierte Darstellung emotionale Tiefe und machte sie zu frühen Beispielen einer differenzierteren Darstellung asiatischer Frauen im europäischen Kino. Premiere der rekonstruierten deutschen Fassung.
Wenn ein Meister der Publikumswirkung wie Richard Eichberg einen so schweren, psychologisch zerklüfteten Stoff anfaßt, darf man damit rechnen, daß er ihn in filmwirksame Formen umgießt. Und er hat dieses schwierige Problem kunstvoll gelöst. Der Film verläßt nicht eine Minute lang sein hohes Niveau, und er ist so mit inneren Spannungen, optischen Reizen, überraschenden Situationen angefüllt, daß man immer neu mitgerissen wird. Und Eichberg hat die spezifischen filmischen Einfälle mit solcher Diskretion in den Rahmen der menschlich ergreifenden Handlung eingebaut, daß sie sich zwanglos in das schwermütig-farbige Gebilde einfügen.
M. P., Lichtbild-Bühne, Nr. 201, 21.8.1928
Was sagt ihr nun zu unserem Richard Eichberg? Gestern noch der Barde heiterer Revuegirl-Geschicke, setzt er sich heute eine tragische Maske auf. […] In Anna May Wong stand seinem SONG ein wunderbar klingendes Begleitinstrument zur Verfügung. Ein Instrument, das zu jauchzen und zu klagen weiß, das keinen falschen Ton kennt. Unvergleichlich die stille Art, die fast primitive, aber so unmißverständliche Mimik, mit der Anna May Wong einer ganzen Skala von Empfindungen Ausdruck verleiht. […] Geradezu herrlich der Schlußakkord: das letzte dankbare Aufleuchten ihrer Augen. Dieses Lächeln unter Tränen. Eine Sterbeszene, wie man sie in ihrer Schlichtheit und Natürlichkeit kaum ergreifender gesehen hat.
B. Z. am Mittag, 21.8.1928
Die Sensation dieses Films ist das Gesicht der Anna May Wong! Sie spielt nicht nur Heinrich George an die Wand, der noch ganz in der Stummfilmtradition des Zeigens verhaftet ist, sondern lässt völlig andere Innenwelten erahnen. Da blitzt schon eine Anna Karina auf. (Zum Beispiel, aber Sie werden Ihre eigenen Referenzen haben.) Und da ist man trotz der ganzen hanebüchenen Geschichte doch immer wieder ergriffen, weil dieses offene, kindliche Gesicht mit dem liebenswerten scheuen Lächeln einen geradezu zwingt, diese Figur ernst zu nehmen. Das menschliche Gesicht, das ist das größte Kinoerlebnis, und mir kommt es vor, als könne man in Stummfilmen noch einmal von vorne lernen, darin zu lesen. Die Stille um diese Angesichter herum tut gut.
Wim Wenders, in: Weimarer Kino – neu gesehen. Berlin 2018
I saw the trade-show of SHOW LIFE, a German picture directed by Richard Eichberg, starring the little ex-laundry girl, ex-Hollywood actress. Anna May Wong, and I used to wonder if she would ever leave Hollywood to work with people who might appreciate her charm, for Hollywood seemed to be blind to the grace of the little creature. The American casting directors occasionally gave her small parts of Chinese serving maids, but she had to go to Germany to be made a star.
Paradoxical as it may sound, Anna May has gone to Germany only to be Americanized, for SHOW LIFE is full of the stock movie situations punctuated by large heads of the star.
Oswell Blakeston, Close Up, London, No. 6, December 1928
For German reviewers, SONG’s melodramatic narrative was seen as having a universal appeal, and its production and Wong’s performance were perceived as great contributions to Germany’s international film aspirations. The film publication Lichtbild-Bühne proclaimed: “This German film will, in its success, announce the glory of Anna May Wong throughout the world as one of the greatest film artists.“ The evening newspaper 8 Uhr-Abendblatt was more possessive: “Anna May Wong is ours now, and we won’t let her go again.” All of the reviews saw Wong’s performance as the centrepiece of the film. Noting the international influences to this co-production, Ernst Jäger wrote in the Film-Kurier: “All the collaborators agreed on the proceedings, all differences disappeared, since the film’s only intention is to serve the woman in front of the camera.”
Tim Bergfelder, in: “Film Europe” and “Film America”. Exeter, 1999