Graf Paul Mensdorf verließ als Kind sein Elternhaus, um sich einem Zirkus anzuschließen. Als weltberühmter Trapezkünstler „Frattani“ kehrt er nach vielen Jahren in seine Heimat zurück. Doch sein hinterhältiger Stiefvater, der Pauls wohlhabende Mutter für seinen verschwenderischen Lebensstil ausnutzt, sieht sich durch die Rückkehr des rechtmäßigen Erben bedroht … SENSATION IM WINTERGARTEN kombiniert eine packende melodramatische Story mit spannend inszenierten Varieté-Szenen, die im echten Berliner Wintergarten-Theater gefilmt wurden. Weltpremiere der neuen digitalen Restaurierung.
Ein neuer Rommer-Film. Und, wie immer bei Claire Rommer, ein Film, der frei von allen Starallüren ist. […] Die Autoren haben ein Varietémilieu gewählt. Bei seiner Fülle der Momente und dem raschen Wechsel der Vorgänge immer wieder ein dankbares Feld für den Film. […]
Gennaro Righelli kann gegen die toten Stellen nicht ganz an. Aber er schafft für den Anfang das Schlag-auf-Schlag-Gehen, das notwendig ist, er hat den Flair für die Artistenluft.
Maskenmachen in den Garderoben, Klingelzeichen, Girls, die herausstürzen, das Aufgehen des Vorhangs, Menschenmasse im Zuschauerraum – diesen Momenten gewinnt er immer neue Gesichte, immer neue Spannungen ab.
Die Kamera greift das auf. Mutz Greenbaum photographiert mit einer Leichtigkeit, Sicherheit, die diesem Film das Gepräge gibt. […]
Righelli bringt mit Claire Rommer ein Ensemblespiel zuwege. Immer wieder besticht sie durch die Disziplin, mit der sie sich nirgends herausspielen will.
Sie darf zwei Seiten ihrer Begabung zeigen, darf ein charmant stilles Geschöpf sein und sich plötzlich zur temperamentvollen Exzentriktänzerin wandeln.
Damit gewinnt sie wirklich den Überraschungsmoment, den die Filmfabel will. Den schönen Körper in ein Flittertrikot gehüllt, tanzt sie einen Bakertanz, geschmeidig, voll Verve.
L[otte] H. Eisner, Film-Kurier, Nr. 212, 6.9.1929
Die Welt des Zirkus und der Artisten war in den späten 20er Jahren ein ausgesprochen beliebtes Filmsujet. Alle Vertreter dieses Genres mußten sich aber an E. A. Duponts VARIETÉ (1925) messen lassen. Daß es schwerfiel, sich neben einem solchen Film künstlerisch zu behaupten, verwundert nicht. Treffender, als die Deutschen Allgemeinen Zeitung (Nr. 414, 7. 9. 29) ihre Rezension von SENSATION IM WINTERGARTEN titelte, läßt es sich nicht formulieren: „Im Schatten von Dupont“. Dramaturgisch betrachtet kann man sich das Verhältnis zwischen den beiden Filmen ungefähr so vorstellen wie in der klassischen Tragödie das Verhältnis zwischen Königsdrama und der Spiegelung des Konflikts auf Dienstboten ebene. Auch ästhetisch erreicht SENSATION IM WINTERGARTEN nicht das Niveau von Duponts VARIETÉ. Statt kameratechnischer Kühnheiten sehen wir ordentliches Kamerahandwerk.
Bei aller Einschränkung und Kritik zeigt aber ein Durchschnittsfilm wie SENSATION IM WINTERGARTEN auch, welche Selbstverständlichkeit im filmischen Erzählen einer Geschichte man sich am Ende der Stummfilmzeit erworben hatte. Klar und verständlich fließt die Geschichte dahin, werden die Szenen in einzelne Einstellungen aufgelöst, wird mit Schuß und Gegenschuß gearbeitet, werden über Blickachsen Anschlüsse hergestellt, wird über die Bewegung der Personen der Eindruck von Kontinuität von Bild zu Bild erreicht.
Ein weiterer Reiz des Films liegt in den kleinen dokumentarischen Momenten, die er bietet. Die Sensationen, die der Filmtitel verheißt, wurden zumindest teilweise tatsächlich im Wintergarten gedreht. An zwei Tagen nahm das Filmteam am regulären Wintergartenprogramm teil, und Claire Rommer mußte vor echtem Publikum einen Tanz darbieten. Auch das Brandenburger Tor und das alte Hotel Adlon ist zu sehen.
Jochen Meyer-Wendt, Filmblatt, Nr. 5, 1997