Die skurrile Komödie greift humorvoll den Schachboom der 1920er Jahre in der jungen Sowjetunion auf. Ein Mann ist so besessen vom Schachspiel, dass er darüber beinahe seine Verlobung aufs Spiel setzt. SCHACHFIEBER kombiniert geschickt fiktionale Szenen mit dokumentarischen Aufnahmen eines internationalen Schachturniers in Moskau und zeigt reale Schachgrößen wie Weltmeister José Raúl Capablanca. Eine witzige Anwendung der Montage-Theorien von Lev Kulešov und ein Paradebeispiel sowjetischer Filmsatire – leicht, verspielt und zugleich ein Spiegel der gesellschaftlichen Begeisterung für das Schachspiel.
Nach den Wirren der Revolution und des Bürgerkrieges fand 1925 in Moskau ein erstes großes Internationales Schachturnier statt, zu dem die Weltspitze der Schachspieler angereist war – der Deutsche Emanuel Lasker, Weltmeister 1894 bis 1921, der Kubaner José Raúl Capablanca, bis 1927 Champion, der Tschechoslowake Richard Réti. Der russische Meister Alexander Aljechin, Weltmeister ab 1927, war allerdings schon 1921 emigriert und galt als Renegat. Organisiert wurde das Turnier von Nikolai Krylenko, selbst ein bedeutender Schachspieler, später Volkskommissar für Justiz und Generalstaatsanwalt, der Schach mit Hilfe der Partei zum Massensport machen wollte. […]
Dieses Moskauer Schachturnier hinterließ im Film seine Spuren. Wsewolod Pudowkin, neben Eisenstein der bedeutendste Regisseur der frühen Sowjetjahre, mitten in den Dreharbeiten zu dem populärwissenschaftlichen Film DIE FUNKTION DES GEHIRNS, unterbrach diese Arbeit, um seinen ersten kurzen (stummen) Spielfilm SCHACHFIEBER zu drehen, der jenes Moskauer Turnier im Nobelhotel „Metropol“ zum Hintergrund hat. Capablanca, Réti und weitere vier Teilnehmer des Turniers haben in der leichtfüßigen Geschichte, – ein Mann, gespielt vom Star jener Jahre, Vladimir Fogel, verpasst seine Hochzeit wegen eines Schachturniers – einen Filmauftritt, den Capablanca mit der Versöhnung der Brautleute krönt. Pudowkin verwandelt Theorie in Praxis, denn in authentischen Einstellungen sind die Züge der Schachpartner zu verfolgen, die Funktion des Gehirns wird ins Bild gesetzt.
Radonitzer (= Eduard Schreiber): Goldstein lesen 2, matthes-seitz-berlin.de, 2017
Like Komarov’s THE KISS OF MARY PICKFORD (1927), constructed from sequences documenting the actual visit to Moscow of Pickford and Fairbanks in 1926, in CHESS FEVER, location footage from the 1925 Moscow Chess tournament is edited into the story, showing the participants Capablanca, Grüfeld, Torré, Spielman and others. “Every photograph of the masters”, says the reviewer in Sovetskoe kino, “shows us a moment in the course of the play”. Capablanca, occasionally looking nervously to camera, was persuaded to appear in the film as a performing “type” (the “type”, that is, of Capablanca himself), alongside Anna Zemtsova. “By the editing together of the pictures he meets his heroine, befriends her and initiates her enthusiasm for chess”. Sovetskoe kino was appreciated of this highly profitable and successful film, which in Moscow and Leningrad equalled the best foreign hits: “The general enthusiasm for chess is making itself felt in cinema […] The comedy is pieced together as a parody of a newspaper story […] ordinary everyday matches acquire exaggerated scale: caricatures of the policeman, the cabman, of the chemist, the public at the tournament and others are wittily portrayed […] There is much humorous incident, much movement, the material forwarded pointedly by the serial story form.”
Amy Sargeant, Vsevolod Pudovkin. London/New York, 2000