Wsewolod Pudowkins Klassiker des sowjetischen Revolutionsfilms entstand an Originalschauplätzen in der Mongolei und zeigt, wie sich das Volk zum Kampf gegen die britischen Kolonialisten aufschwingt. Ausgehend von ethnographischen Aufnahmen vom Alltagsleben der Mongolen und ihren Ritualen zeigt der Film, wie ein junger Mongole, der als vermeintlicher Nachfahre Dschingis Khans von den britischen Interventionstruppen als Marionette benutzt wird, in furiosen Montagesequenzen mit stakkatoartigen Rhythmen sein Volk zum Aufstand gegen die Unterdrücker führt.
Ein mongolischer Jäger schießt einen Silberfuchs und will das Fell auf dem Pelzmarkt verkaufen. Aber ein englischer Pelzhändler wirft das kostbare Stück zum Übrigen und zahlt nur wenige Silbermünzen dafür. Aus diesem einfachen Vorgang entwickelt sich ein Geschehen, das einen ganzen Erdteil in Aufruhr bringt, entwickelt sich eine Handlung, die, aus epischem Urlande, aus Steppe und Wüste, aus Dorf und Land aufsteigend, eine ganze Welt unter Sturm setzt. STURM ÜBER ASIEN ist das größte Filmepos geworden, das die Geschichte des Films kennt. Es gibt Erdgeschichte, es gibt Weltperspektiven. Wo zwei Welten allein durch die Typen ihrer Bewohner zu Gegnern, zu Kämpfern bestimmt sind, wo der soziale Kontrast schon der nationale ist, wo die Steppe selbst und ihre Dörfer, wo Haus und Kleidung, lehmiger Weg, Stadt und Hütte aufsteht und anklagt, da wirkt es fast klein, wenn die Gegentypen noch posieren. Der Sturm zerbräche sie, auch ohne dass sie gipsern posierten. Pudowkins STURM ÜBER ASIEN eröffnet eine neue Reihe der herrlichen russischen Filme. Seine Wirkung war ungeheuerlich. Dieser Sturm, der Bäume und Menschen umwirft, der ganze Armeen zum Rückwärtsrollen bringt, bis nur noch die Gegenstände, bis Mützen und Konservenbüchsen rollen – dieser Abschluss riss wieder hin.
Herbert Ihering, in: Berliner Börsen-Courier, 7.1.1929
In einigen Teilen ist der Film beinahe so etwas wie ein Kulturfilm. Pudowkin hat von seiner Expedition Szenen heimgebracht, die bisher noch niemals gekurbelt worden sind: betende Mönche, einen pompösen Zug buddhistischer Priestergestalten und kultische Maskentänze. Er behandelt die Sitten und Gebräuche mit einer Ausführlichkeit, die zwar der Konsistenz des Films Abbruch tut, aber doch nirgends ins bloß Stoffliche entgleitet. Was die Organisation des Materials betrifft, so könnten unsere Kulturfilmfabrikanten hier samt und sonders in die Schule gehen. Entweder stellen sie ihre Gegenstände gedankenlos nebeneinander oder verbinden sie durch ein läppisches Fabelfragment, das auch keine Einheit schafft. Von Pudowkin (und seinem Kameramann Golownja) wird ihnen vorgemacht, wie man die Unwirtlichkeit einer Steppe darstellt, ein Heiligtum durchwandert, das Ineinander von Musikanten und Tanzenden herausholt und Straßenphysiognomien zur Aussage zwingt. Freilich, er weiß, was er will, und alle von ihm getroffenen Dinge haben für ihn einen gesellschaftlichen Sinn, der die Art ihrer Darstellung bestimmt.
Siegfried Kracauer, in: Frankfurter Zeitung, 14.1.1929