In LASTER DER MENSCHHEIT spielt die dänische Stummfilmdiva Asta Nielsen eine berühmte Opernsängerin, die kokain- und opiumabhängig ist und sich in den Fängen ihres teuflischen Managers und Drogendealers befindet. Eines Abends taucht ihre entfremdete Tochter bei einer Vorstellung auf, die voller Bewunderung für die große Opernsängerin ist. Als der Manager auch die Tochter in den Drogenbann ziehen will, setzt die Sängerin alles daran, ihre Tochter zu schützen. Asta Nielsen, der wohl erste Filmstar des Kinos überhaupt, ist hier in einer ungewöhnlichen und späten Rolle in ihrer Filmkarriere zu sehen, die auch von der zeitgenössischen Presse hoch gelobt wurde. Drei Jahre lang hatte Nielsen ausschließlich fürs Theater gearbeitet, nachdem die deutsche Filmindustrie einen Boykott über sie verhängt hatte. Mit LASTER, so der Kurztitel des Films, kehrte sie vor die Kamera zurück. Von Rudolf Meinerts symbolreifem Aufklärungsfilm ist faktisch nur eine gekürzte französische Fassung erhalten, die 1993 als Grundlage für eine erste analoge Restaurierung durch die Cinémathèque Royale de Belgique diente. Mit Hilfe weiterer Filmfragmente und digitaler Technik konnte nun eine verbesserte Rekonstruktion der deutschen Fassung erstellt werden, die in Bonn ihre Weltpremiere feiert.
Einführung: Arianna Turci, Bruno Mestdagh, Cinematek – Cinémathèque Royale de Belgique
Asta Nielsen ist die Filmschauspielerin, gestaltet wie keine andere, packt in ihrer Herbheit, in ihrer Selbstverständlichkeit; der Ausdruck von Leid und Freud ist wirklich erlebt, das Erlebte Wirklichkeit. Wenn sie alle Phasen einer Frau zeichnet, die dem Genusse des Rauschgiftes erliegt, dann weiß man: so ist es, so und nicht anders.
Rudolf Meinert hat den Mut gehabt, diese Künstlerin aus der Versenkung hervorzuholen, in der sich durch eine unbegreifliche Verkennung ihres wahren Wertes zu verkommen drohte. In der Hand dieses Regisseurs ist Asta Nielsen wieder zu dem geworden, was sie über ein Jahrzehnt hindurch für den deutschen Film war: neben Henny Porten die stärkste schauspielerische Stütze. Der Regisseur hätte es leicht gehabt, ihren Stern dadurch besonders hell leuchten zu lassen, daß er sie in den Kreis mittelmäßiger Schauspieler gestellt hätte. Das hat er aber nicht getan. Er läßt sie neben zwei Könnern vom Range eines Alfred Abel und eines Werner Krauß spielen. Beide in ungemein fesselnden Rollen, Abel als den gewissenlosen Verführer, der die Menschen mit Rauschgift versorgt, Krauß als eines seiner willenlos gewordenen Geschöpfe. Drei schauspielerische Leistungen, die sich sehen lassen können.
Dr. Kurt Mühsam, B.Z. am Mittag, Nr. 94, 6. April 1927
Nielsen plays a famous opera singer, Tamara (there are some tempting stage scenes of Nielsen as Salome), now under the spell of drugs, in the clutches of her demonic manager Mangol (Alfred Abel), a drug dealer. There are some amazing, very overt scenes of cocaine sniffing and opium pipes; morphine is also mentioned. Werner Krauss (of DR. CALIGARI fame) tears up the scenery (literally, at one point), as a twitching cocaine addict in withdrawl. This story of drugs and debauchery is intertwined with a tale of mother love and redemption: The singer’s husband has told their daughter her mother is dead. When mother and daughter eventually meet, Tamara sacrifices her only chance at salvation to preserve her daughter’s happiness, saving the girl from the same fate.
This important German production has been unseen for years, probably due to its blatant depiction of drugs. It was restored in 1993 by the Belgian film archive, working from the only known surviving material, a b/w French distribution print found at the Luxembourg Cinémathèque. The story for the French version seems to have been considerably softened, never directly referring to drugs; contemporary French reviews describe Nielsen’s character as an alcoholic!
Catherine A. Surowiec, The Lumière Project. The European Film Archives at the Crossroads, Lisbon 1996
Wir zeigen diesen Film im Rahmen eines Doppelprogramms. Der erste Film ist THE CURE