Mauritz Stillers Film GUNNAR HEDES SAGA basiert auf dem 1899 erschienenen Roman „En herrgårdssägen“ von Selma Lagerlöf. Die Produktionsfirma AB Svensk Filmindustri hatte bereits 1915 den Plan, Langerlöfs Buch zu verfilmen, verwarf das Vorhaben aber zunächst, bis Anfang der 1920er-Jahre Stiller damit beauftragt wurde. Im Mittelpunkt der Handlung steht ein junger Mann, der zusammen mit seiner dominanten Mutter in einem alten Herrenhaus lebt und dessen Leben und Schicksal durch die Erzählungen über den Großvater geprägt werden. Dieser, ein leidenschaftlicher Musiker, trieb eine Rentierherde durch das winterkalte Lappland, verkaufte sie für viel Geld und baute so das Familienvermögen auf. Vom Reichtum ist nun nichts mehr übrig, das Familienanwesen steht vor dem Bankrott… Der Film vereint großartige Naturbilder mit ausdrucksstarken Szenen der Schauspielenden – allen voran Einar Hanson, der hier in seiner ersten Hauptrolle als Hauptfigur Gunnar Hede zu sehen ist, und Pauline Brunius, die als dessen Mutter beeindruckt. Auch wenn der Film nicht ganz vollständig erhalten ist, wirkt die neue digital überarbeitete Restaurierung des Schwedischen Filminstituts stimmig und abgerundet, die die ursprüngliche Farbgebung des Films aufgreift und es durch wiedereingeführte Zwischentitel ermöglicht, der Handlung besser zu folgen. In Bonn ist diese neue Restaurierung erstmals außerhalb Stockholms auf der Leinwand zu sehen.
Einführung: Magnus Rosborn, Svenska Filminstitutet
Der starke Eindruck, den diese Filme heute noch erwecken, ist um so merkwürdiger, als sie manchen Regeln zuwiderlaufen, nach denen man inzwischen Filme zu beurteilen gelernt hat. Dennoch empfindet man ihr Verhalten nicht als Schwäche. Im Gegenteil, die Schwedenfilme wirken durchaus spannend; auf filmgerechte Weise spannend. Der Grund hierfür ist der, daß die Langsamkeit, mit der sie sich entfalten, nicht auf Schwerfälligkeit beruht, sondern sich aus der genauen Innehaltung des von den Gegenständen selber geforderten Zeitmaßes ergibt. Stiller weiß den Erlebnissen naturverbundener Menschen die Zeit einzuräumen, die sie benötigen, um ̧überhaupt darstellbar zu sein.
Unvergeßlich ist die berühmte Flucht der Rentierherde, deren Leittier den Hirten Gunnar nach sich schleift. Auch sie verdankt ihre Wirkung der Zähigkeit, mit der sie wiedergegeben ist. Stunden und nochmals Stunden glaubt man, Zeuge der verzweifelten Jagd zu sein, die damit abschließt, daß Gunnar irrsinnig wird und entsetzt vor einem Hund zurückweicht, auf dessen Kopf er ein Rentiergeweih zu erblicken wähnt. Kein Zweifel, daß die Überzeugungskraft dieser Halluzination an die Ausführlichkeit der Schilderung geknüpft ist, die Stiller vorher von der Panik der Herde und dem Martyrium des Hirten entwirft. Er läßt sich Zeit; aber indem er so einem Geschehen, das nur langsam wachsen kann, die Möglichkeit gewährt, sich wirklich herauszuschälen, verdichtet er den Zug der Ereignisse zum atemberaubenden Prozeß.
Siegfried Kracauer, in: National-Zeitung, Basel, 6.12.1938
The story of a sensitive young musician whose effort to restore his family’s fortune has disastrous consequences, GUNNAR HEDES SAGA (THE BLIZZARD) blends Lagerlöf’s themes of nature and dreams with Stiller’s own ideas of how to tell a story on film. In an appreciation of Stiller that Sjöström wrote for Bengt Idestam-Alquist’s 1952 book, Swedish Cinema: The Stiller and Sjöström Period, the director noted that “Stiller was so modern that he made whatever changes in the story that he thought would be of best effect, regardless of what the author had written.” According to Sjöström, Stiller saw some documentary footage about reindeer in Lapland at the studio’s lab and decided to change the novel’s climactic sheepherding scene to reindeer herding, using that footage. Lagerlöf was furious, but the film was a popular and critical success, and its impact has not diminished. In 1977, Richard Combs wrote, “It is one of those rare works in which every detail and gesture functions perfectly on both a literal and symbolic level, so that the scenes do not so much open out as downwards … suggesting that the film is constantly plumbing the connections and uses of dreams.”
Margarita Landazuri, San Francisco Silent Film Festival 2011