Die Jahrmarkttänzerin Esmerelda verdreht allen Männern den Kopf. Ihre Liebe gehört aber nur einem: dem Löwenbändiger Leonidas. Nachdem sie die Annäherungsversuche des Zauberers Dr. Larifari zurückweist, rächt er sich und legt einen Fluch auf sie: Allen Männern, die sich ihr zu nähern versuchen, soll sie ab nun an buchstäblich den Kopf verdrehen. So ergeht es auch ihrem geliebten Leonidas, woraufhin Esmerelda den Wunderdoktor Professor Mordgeschrei aufsucht. In seinem geheimnisvollen Schloss erwartet sie jedoch eine böse Überraschung…
Dieser gruselige Märchenfilm, der sich keineswegs als bloßer Kinderfilm verstehen lässt, wendet auf höchst originelle Weise die narrativen und technischen Stilmittel des expressionistischen Films auf die Gattung des Puppentrickfilms an. Die einzige überlieferte Produktion der Piccolo-Film wurde 2019 vom DFF digital restauriert. In Bonn wird diese restaurierte Fassung zum ersten Mal auf der großen Leinwand zu sehen sein.
„Das Kabinett des Dr. Larifari“ lautete der Arbeitstitel dieses kurzen Marionettenfilms, der mit dem gleichnamigen Tonfilm von 1930 aber nichts gemein hat. Stattdessen verbirgt sich in dem zauberhaften kleinen Filmkunstwerk der Berliner Piccolo-Film eine echte, ebenso liebevoll wie überlegt gefertigte Hommage an Robert Wienes expressionistischen Stummfilmklassiker DAS CABINET DES DR. CALIGARI (1920) – wobei das Drehbuch von Victor Abel sogar dessen berühmte erzählerische Finte am Ende reproduziert. Ja, vielleicht handelt es sich bei der frühen Regiearbeit Alfred Zeislers tatsächlich um den letzten legitimen expressionistischen Film aus Deutschland! In „schrägen“ Kulissen, die denen des Originals in nichts nachstehen, verbindet DIE GROSSE LIEBE EINER KLEINEN TÄNZERIN das Grotesk-Komische einer Rummelplatz-Freakshow mit dem Drastischen des Grand Guignol. Und wenn hier beim Zersägen einer Jungfrau kein Blut spritzt, dann nur deshalb, weil die Protagonistin ja aus Holz ist.
Jörg Schöning, 2022
Im Anschluss an diese Film präsentieren wir THE SENTIMENTAL BLOKE